..und hier nun der zweite umgezogene Text zum Flanieren. Der Plan, dann und wann eine „Umschau zu gestalten, was sich in der Welt der Flaneure tut, wird fortgesetzt- 2016 klang das so:
I Roundtrip
Wie entdecken und erlegen andere „flanierende Großwildjäger“ ihre Wahrnehmungen – und wie ist deren Herangehensweise und Darstellung?
„Flaneur´s Roundtrip“ stellt zukünftig Fundstücke und Impressionen aus der buntgemischten „FlanierSzene“ vor.
II Flanieren in Deutschland
- Die Flaneurs stellen sich in ihrem Blog als Kooperative vor, die durch Berlin und Hamburg flanieren. Und das gemeinsam seit mehr als zwei Jahren. Über die Intention ihres Blogs schreiben sie:
Man flaniert, tänzerisch, ziellos. Dieses Blog soll ein Flanieren sein, eine Wanderung durch die Großstadt, ein Besuch im Club, im Atelier, im Theater und im Stadtpark: ein Blick auf das, was wir lieben. Und auf das, was uns nervt, das natürlich auch.
Zum Jahresende 2016 blicken sie zurück- auf ihre Wahrnehmungen in Hamburg und Berlin. Highlights, Not-likes.Ein sehr individuell geprägter, kooperativ gestalter Blick
- Elke Schmid und Thomas Schütt sind die „Professoren“ der EcoleFlaneurs in Berlin. Die Trainerin für Schauspiel und die „Kunst des Gehens“ sowie der Philosoph und Performer lehren nicht nur und bieten Kurse an, in denen es um“Sich Verlieren und Flanieren“ geht, sondern initieren auch Projekte.
„Es ist spannend, Menschen über das Gehen kennenzulernen.Gehen ist die Muttersprache der Körpersprache“ Elke Schmid
“ Der Philosoph geht in Gedanken alllemal.Wenn es gut läuft, hat es eine Rückkopplung auf das, was wir leichtfertig Realität nennen.“ Thomas Schütt
Das reale Flanieren stellen sie auch hörbar dar.So geben sie Einblicke in ihr Tun und ihre Haltung zum Flanieren in den Interviews auf: Radio Erevan, dem Flaneur- Podcast, oder bei den Radio- Revolten auf Radio Corax.
- Die Düssel, der 40 km lange rechter Nebenfluß des Rheins bei Düsseldorf ist Blog-Terain des Düssel-Flaneurs.
Ein Reisebericht: 45 Kilometer gegen den „Strom“ – von der Mündung bis zur Quelle, immer am Ufer entlang, zu Fuß, mit Ironie und ohne Jack Wolfskin
In kleinen aufgeteilten Strecken beschreibt er ein Stück Heimat eindrücklich,lebendig, mit Augenzwinkern. Bereits in der ersten Folge fragen sich die beiden Protagonisten, warum die Stadtväter dbei der namensgebung ihrer Heimatstadt, das „Dorf“ und die Düssel überliessen. Der Forschergeist ist geweckt:
„…dabei wäre als Partner fürs Leben immerhin Deutschlands größter Strom zu haben gewesen. Stattdessen haben sie einem schmalen Flüsschen zu Ruhm verholfen. Düssel … Dorf!“ Er betont die beiden Worte getrennt – mit einer Sekunde Abstand – und sofort klingt der sonst so natürlich fließende Name fremd. „Ob die Gründer sich aus Bescheidenheit dafür entschieden haben, ein Dorf zu sein?“, fragt er.
Autor Sebastian Brück nahm an der Veranstaltung „#blogsofa „der Stadtbücherei Düsseldorf teil. Eine Blog-Lese-Veranstaltung über die Stadt- faszinierend, frischer Wind in die Stadtbüchereien, jawoll ! Im April wird er in einem Reiseführer über die nordrhein-westfälische Hauptstadt porträtiert, als „Düssel- Experte“.
- Der Unternehmer Bastian Wilkat flaniert mit Hilfe des Formats Podcast. Alle drei Wochen erscheint eine neue Sendung seines Interview- Sendung. Sein Credo:
Flanieren ist eine Philosophie. Ungezwungenes Durchstreifen verschiedener Themen und Disziplinen. Stets bereit vom Zufall überrascht zu werden, um dadurch im persönlichen oder beruflichen Umfeld besser zu werden. Dazu spreche ich mit Menschen, die Berührungspunkte zu Wirtschaft, Technologie, Bildung, Philosophie, Innovation, Psychologie, Gesellschaft, IT, Digitalisierung und Politik haben
Mit den Ohren durch ein Gespräch flanieren, sich einlassen auf Gespräche und „geschehen lassen“ wohin der akustische Spaziergang führt- mitnichten ein langweiliges Unterfangen.
In der ersten Episode des Flaneur stellt Bastian Wilkat seine persönliche Philosophie mdes Flanierens vor.Zudem lässt er wissen, daß seine Ansicht auf einer „flanierenden Reise begann.
III Flanieren weltweit
- Im Radiofeature „Zu Fuß-Geh doch !“ von DRadio Wissen flanierte er längs — William Helmreich. Der pensionierte New Yorker Soziologie- Professor erlief sich seine Stadt innerhalb von vier Jahren. 6000 km – jetzt kennt er jede Straße und jeden Block seiner Stadt.
„The city is the greatest outdoor museum“
sagt er und ergänzt
„Die Stadt zu Fuß erkunden ist die einzige Möglichkeit, sie zu verstehen. Und es ist gut für die Gesundheit“
Mit einem Smartphone gewappnet marschierte er sehenden Auges, fotografierte und nahm die Gespräche mit den Menschen vor Ort auf. Aktive Soziologie, die er in seinem Bildband „The New York nobody knows “ veröffentlichte. In einem zehnminütigen filmischen Portrait beschreibt er das Erlebte- und seine Rückschlüsse. Prädikat: Sehenswert!. dation
- Die Flaneurs-Soceity mit Sitz in Oakland stützt ihre Seh-Weise auf das Buch „Berlin- Kindheit um 1900″von Walther Benjamin:
In it he explores the concept of the Flaneur, one who wanders without destination. ….The society was created to spread the concept of the Flaneur beyond academic studies and into the general consciousness of how we think of urban spaces.
Neben dem Blog mit festgehaltenen Impressionen entwickelte die „Gesellschaft“ ein Guidebook of getting lost (öffnet pdf -Datei) eine kreative gestaltete, ermunternde Anleitung zum Flanieren.
Dann nichts wie los:
Go, get lost !
Über Ihre /Eure Hinweise, Anmerkungen, Ergänzungen und Fundstücke, die im nächsten „roundtrip“ vorgestellt werden könnten, freue ich mich- Please leave a comment !
P.S. Wie man in der #twitterworld flaniert wird grade in dem Tweeted-Times gestützten Projekt „The Flaneur united“ gesammelt.
IV Bild- und Text Quellen
- „Der Fischer und seine Frau“:aus Phillip Pulman „Grimms Märchen“ via: https://www.brainpickings.org
- Les Flaneurs : http://www.lesflaneurs.de
- Ecole Flaneurs: https://ecoleflaneurs.wordpress.com
- Düssel- Flaneur: http://duessel-flaneur.tumblr.com/
- Sebastian Wilkat´s Podcast :http://bastianwilkat.de/podcast/
- Wiliam Helmreich via: http://blog.press.princeton.edu
- Flaneur Soceity: http://flaneursociety.org
Lektorat- Dorothea Müth , Danke schön !
„Flaneur“ Eine Ein-fühlung in die (Urban) Safari
I
Da sitzt man nun an einem Samstag nachmittag. Das Radio trällert chillig Melodien, auf dem Schreibtisch lauert gestapeltes, unbearbeitetes Papier- auf dem Regal lugen einige Ausgaben einer großformatigen Wochenzeitung und rufen „Lies mich“. Papier ist geduldig, also greife ich die Zeitung.
Und plötzlich steht es da, das Wort. Steht vor mir, in der Zeitung bei Tee und Salzstangen, während im Hintergrund, durch das Fenster geschaut, die Wolken langsam den Himmel erobern. Träge Wolken, ein bisschen gedankenverloren. Wie ich in meinem „Home-Office“.
Das Wort grüßt freundlich: „Flaneur“. Mit gedankenspazierender Muße betrachtet, macht es neugierig.
“ Der Flaneur ist ein Mensch, der im Spazierengehen schaut, genießt und planlos umherschweift – er flaniert.“ ( Wikipedia)
Paul Gavarni, Le Flaneur, 1842
II Spurensuche
Hinter dem „Flanieren“ verbirgt sich eine im Paris der 1830 er Jahren entstandene Gegenströmung zu der immer schneller werdenden Industrialisierung der Hauptstadt Frankreichs
Die Wahrnehmung der Einwohner auf ihr Leben und ihre Umwelt wurde im Zeitalter der Mechanisierung schneller, diffuser , hektischer. Die französische Hauptstadt pulsierte im Takt der Wirtschaft und Wirtschaftlichkeit – der Moderne. Die Menschen begannen, das Mittelalter hinter sich zu lassen, und tauchten ein in eine neue Welt, die von neuen Denkmustern und -strukturen beseelt war.
Dagegen wollten die Flaneure Zeichen setzen. Zu ihrer Zeit sorgten sie mit provokanten Aktionen für Aufsehen. In dem sie etwa mit einer angeleinten Schildkröte spazieren gingen, sich dem Rhythmus des Tieres anpassend durch die Stadt schlichen, und sich Zeit nahmen, dabei die Stadt neu zu entdecken. Ein Politikum ohne politisch zu sein. Der Flaneur wollte nie ein „aktiv“ Politischer sein – eher einer, der seine Haltung den Dingen gegenüber vertritt.
Charles Baudelaire, französischer Schriftsteller dieser Epoche, war begeistert von der Erzählung „Der Mann in der Menge“ von Edgar Allen Poe aus dem Jahr1838. Erstmals in der Literatur bekam „der Wanderer “ eine neue Aufgabe .. er wurde zu Voyeur und Detektiv gleichermaßen.
Baudelaire übertrug den Begriff auf Grundlage der Erzählung nach Frankreich und verlieh dem Flaneur einen eher „dandyhaften Charakter“.
Der Flaneur als burgeoise Gestalt- als „Figur“
„Er etablierte den Flaneur als literarisches Sujet, das von der Faszination für eine vollkommen neue Erfahrung von Stadt handelt. Plötzlich war es möglich, sich selbst frei zu entfalten und dabei gleichzeitig Teil einer Menge zu sein, einer Menschenmasse, die unheimlich sein kann, bevölkert von entwurzelten, getriebenen Wanderern, gleichzeitig aber auch Quelle und Ermöglicher eines neuen Abenteuers: der Anonymität und Individualität eines unbeaufsichtigten Lebens, wie es nur die Metropole erlaubte. Und in genau so einer Welt lebte Baudelaire – im Paris des 19. Jahrhunderts.“
Quelle- Klaus Lüther- „Spaziergang mit Kröte„- Goethe Institut
Ein eher vom Umherschweifen und Faulenzertum getriebener Beobachter, der es als „schick“ empfand, , sich im öffentlichen Raum der Stadt zu bewegen und „eine Contra-Haltung“ gegen die typischen Zeichen der Stadt (Schnelligkeit, Anonymität..) darzustellen.
Quelle:www.ruasmagazin.es
Walter Benjamin brachte „die Figur“ an die Universitäten und in die Forschung, als Beispiel für „moderne Urbanität“ und „Entfremdung in den Städten“. Der „Held“ lebt in der Masse, decodiert Zeichen, nimmt wahr. Der öffentliche Raum wird zum Gegenstand der Untersuchung, die Einkaufspassagen mit ihren Schaufenstern zum Spiegel der Gesellschaft. Der Flaneur liest in ihr. Er entschlüsselt die Zeichen der Stadt, ihre Codes. Wissend und emotional. Mit allen Sinnen nimmt er das Gefüge, mit seinen Gegensätzen, Unwegbarkeiten, Bedeutungen wahr.
“ Für Walter Benjamin ist der Flaneur Süchtiger und Melancholiker, Voyeur/Detektiv und Verdächtiger zugleich. Er interpretiert die Möglichkeiten des öffentlichen Raumes, die Langsamkeit ist sein Credo. Er ist ein Verächter der großen historischen Reminiszenzen, er erfühlt eher, als dass er spricht.“
Quelle: Claudia Taller -„Was ist ein Flaneur?„
III
Und heute? Wir nehmen neu wahr, bewegen uns in und zwischen audiovisuell-virtuell-realen Medienwelten – warum nicht mit dem Habitus des Flaneurs?
aus:“Guide to getting lost“/ The Flaneur Soceity
Im realen urbanen Raum hetzen wir, gewiss schneller und getriebener. Noch mehr Codes, die es zu entschlüsseln gilt, als sie im 19.Jahundert vorhanden waren. Zudem ist mit dem virtuellen Raum eine „Anderswelt“ entstanden, die wir parallel erwandern und decodieren, oder aber mit der realen Welt verschmelzen lassen. Auch diese Welt lebt von Schnelligkeit, ihrer ständigen Informationsflut und brilliert durch ihre Netzwerke. Kann man in ihr „Stehen, Staunen und Schauen“ ? Oder fühlt man sich nur noch „entfremdet“?
Claudia Taller gibt eine mögliche Definition:
„Den elektronischen Flaneur gibt es wie den Flaneur des 19. Jahrhunderts in den verschiedensten Ausprägungen: den Voyeur, der seine Schaulust in Chatrooms und auf Homepages stillt, den Melancholiker, den (Surf- oder Chat-) Süchtigen, den Einsamen.“
Quelle: Claudia Taller -„Was ist ein Flaneur?„
„Den Wissensdurstigen und am Leben interessierten, der sich der Wahrnehmugen bedient , die ihm zur Verfügung stehen“ würde ich spontan ergänzen.
IV
Aha, denke ich, und nehme mir die Zeit hinzuschauen auf die „Figur“ des Flaneurs und was sie mit mir zu tun hat.
Einige Schlagwörter gefallen auf Anhieb. „Beobachten, Codes erkennen, die Botschaft hinter den Zeichen, neugierig-interessiert sein und dabei kritisch reflektiert wachsam bleiben.“
Doch Flanieren kann mehr, und kann gewiss auch politisch sein.Ein Einfluß auf meine Lebenshaltung, die gewiss auch in diesem Blog ihren Niederschlag in zukünftigen Beiträgen findet.
The „Urban Elektro Safari“ begins
VI Quellen/Weiterlesen
Revierpassagen gibt einen guten Überblick in : „Der Flaneur braucht kein Ziel“
Das Goethe- Institut überblickt auch „Spaziergang mit Schildkröte“
Die österreichische Schriftstellerin Claudia Taller geht dem Flaneur auf den Grund und beleuchtet detailliert diver se Facetten: „Was ist ein Flaneur?“
Orginaltexte
„Der Mann der Menge“ von Edgar Allan Poe bei zeno.org
„Heimliches Berlin“ von Franz Hessel im Projekt Gutenberg
„Die Wiederkehr des Flaneurs“ von Walter Benjamin, Projekt Gutenberg
Lektorat- Dorothea Müth , Danke schön !