„Heimat erleben“

I Prolog

Zu Beginn des heutigen Flanier- Erlebnisses , muß sich zuerst gestärkt werden. Und was liegt näher an einem Tag in dem es sich um „Heimat“ drehen wird,  als auch im Restaurant  über den Tellerrand zu schauen, und eine „andere Heimat “ zu erschmecken. In der Koblenzer Salatbar gibt es daher die  Kölner Spezialität „Himmel und Äad“.  Lecker und sättigend. Frisch gestärkt geht es in den Koblenzer Stadtteil Güls. Hier, unweit des Bahnhofes, und direkt am Moselhöhenweg (Etappe 11) liegt die alte Schule.

Vor dem Eckhaus mit der roten Wand treffe ich die zwölfköpfige Gruppe, der ich mich auf Einladung anschliessen kann. Allesamt haben sie im vergangenen Jahr an Ahr und Mosel das Thema „Heimat“ bereits in zwei von dem eeb durchgeführten Seminaren erkundet.

An den Seminartagen wurden die Flüsse bereist, und an ausgewählten Orten das mutmaßlich  charakteristische der Region erfasst. Nach dem erfolgreichen Abschluß ist dieser Museumsbesuch, organisiert von der Dozentin,  ein „Wiedersehenstreffen“.  Die Dozentin ist auch mir wohlbekannt, durch ein anderes Seminar, und da noch  ein Plätzchen frei war, fragte Sie mich, ob ich denn interesse hätte, mitzukommen. So war das.

II Das Museum

Im ersten Stock des Gebäudes befindet es sich nun, das Gülser Heimatmuseum. 110 qm auf vier Räume verteilt. Ein Ausbau in der zweiten Etage ist geplant.  Hat man die Stufen erklommen, betritt man einen großen , lichtdurchfluteten Raum.  Von einem freundlichen Herrn, er sei  Herr D. genannt,  werden wir begrüßt. Er ist unser Austellungs- Führer, und hat sich für heute frei genommen. „Normalerweise ist das Museum ja nur samstags und sonntags geöffnet, ich bin ja Rentner, da nimmt man sich gerne Zeit für Gruppen .“ erklärt er zur Begrüßung. Heimatpflege ist Ehrenamt.

In der flüchtigen ersten Umschau durch den Raum, ist schon einiges an Exponaten und Bildern erkennbar. Doch wer hier prägende Gegenstände des „alten Dorflebens“ wie etwa Weinfässer alte landwirtschaftliche Geräte, Schulbänke o.ä. erwartet, oder gar Geschichtstafeln des 775 ersterwähnten Ortes,  sei eines besseren belehrt.

Moderne Farben im Raum, „Platz“ zum Gehen und Stehenbleiben, Kinderzeichnungen und großformatige Fotos an den Wänden, ebenso wie Mitmach- Elemente.

Mehr kann ich  garnicht in der ersten Umschau entdecken, denn in die Orientierung hinein läutet die Dozentin zum

  „Stuuhlkreeeisss“

Das sind wir aus den Seminaren schon gewohnt. Kennenlernen, Brainstorming, geistiger Input.  Dieser kommt heuer von Kurt Tucholsky`s „Heimat“ (Text online  bei textlog.de)  Der Text aus dem Jahr 1929 ist, oh Wunder, auch heute noch aktuell. Heimatliebe gepaart mit  kritischen Statements darüber.

Es besteht kein Grund, vor jedem Fleck Deutschlands in die Knie zu sinken und zu lügen: wie schön! Aber es ist da etwas allen Gegenden Gemeinsames – und für jeden von uns ist es anders. Dem einen geht das Herz auf in den Bergen, wo Feld und Wiese in die kleinen Straßen sehen, am Rand der Gebirgsseen, wo es nach Wasser und Holz und Felsen riecht, und wo man einsam sein kann; wenn da einer seine Heimat hat, dann hört er dort ihr Herz klopfen….. Deutschland ist ein gespaltenes Land.

Ein Teil von ihm sind wir.“

(Kurt Tucholsky, „Heimat“, 1929)

Wie die Ritter der Tafelrunde sitzen wir noch immer im Stuhlkreis, und lassen den Text sacken. Und dabei fällt natürlich die Vokabel „#Heimatministerium“. Das Gespräch  wogt ein bisschen hin und her, glättet sich wieder.  Nun kann  Herr K. über die Geschichte des Museums berichten. 1969 sei der Förderverein gegründet worden. Damals gab es tatsächlich die Dauerausstellung mit den Weinfässern, den Schulbänken und den Sensen. „Sie glauben nicht“, sagt Herr K. schmunzelnd, „was die Hauptattraktion damals für Groß und Klein war – der Vitrinenschrank mit ausgestopften Tierpräperaten der heimischen Region. Alle standen davor und staunten Bauklötze. So nah waren viele Besucher noch nie einem Tier gekommen.“

III Die KuWi

Doch irgendwann blieben Besucher aus, ein neues Konzept musste gefunden werden. „Im benachbarten Winniger Museum hält sich das Konzept. Wir mussten umdenken- erfinden“ bemerkt Herr K, und erzält davon, wie das Ausräumen einer Daueraustellung von Statten ging. „Und als der raum dann leer war, sahen wir erst, wie viel Platz wir hatten, und waren ganz ergriffen. Doch wie sollten wir die neuen Räume gestalten ?. “  Ein Zufall half 2013: Das Kulturwissenschaftliche Institut der Koblenzer Universität fragte an, ob Interesse an einer Kooperation besteht. Studenten könnten hier Erfahrungen im Kulturmanagment und Austellungsgestaltung sammeln, den wenigen ehrenamtlichen Aktivern des Fördervereins sei  geholfen. Gesagt getan.  Ein reger Austausch entstand. Die aktuelle Ausstellung wurde nun auch den KuWi´s,  konzipiert. Hier liess man sich zu Beginn im April 2018 eine Aktion einfallen:

In Güls wurden 250 Papiertüten an Passanten verteilt, mit der Bitte , dem Museum ein Gegenstand der „Heimat“ symbolisiert zu stiften. Immerhin 25 Tüten kamen zurück,  die nun in einem eigenen Raum ausgestellt sind.  

„Da hier nun auch Menschen aus mehr als 17 Nationen leben, und das sind 17 Heimaten, kamen unterschiedliche Objekte zusammen.“ sagt Her K.

Und oh ja.. „Mutter Erde“ darf beim Thema natürlich nicht fehlen, 🙂

Dies spiegelt auch die  große Essenstafel wieder, die auch vom den Studenten konzipiert wurde. Gülser Bürgerinnen und Bürger übernahmen die Patenschaft für einen Sitzplatz,  und wurde mit typischen Heimat-Symbolen ausstaffiert. Wie etwa der Oberbürgermeister oder die Obermöhn, der Fußball spielende syrische Flüchtling– oder Sandra Niebergall. Sie ist  Besitzerin des soulfood in Koblenz. Auf ihrem Platz gibt es ein „Quiz für den Geruchssinn.“

Eine Entdeckungsreise in die „Gülser Welt“, die auch in Ton und Videodokumenten be-greif-bar und verständlich wird.

IV Sprooch

In einem weitere Raum geht es um die Heimatsprache , am Beispiel des  Moselfränkischen.

Wo genau liegt der Sprachraum? Eine Karte gibt Aufschluß.

Direkt daneben kann man es hören. Ein Mundartdichter liest Geschichten aus der Heimat vor, die mittels „Knopf im Ohr“ gehört werden kann.

Derart  hörend gestärkt glaubt mensch sodann, „Asterix und Obelix “ zu rezitieren. Pustekuchen.: Die Zunge des Rheinländers will, ist aber nicht soo ganz in der Lage. Eine spannende Erfahrung.

Spielerisch wird es am Memory- Tisch.  Der Dialekt spiegelt sich in den Bildern wieder- und Vokabeln lernen wird zum Kinderspiel.

Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten.

Wilhelm von Humboldt

via https://www.gutzitiert.de

V „Etwas steht für etwas“

Klar, Wikipedia MUSS zitiert werden, oder Die Definition dort beginnt einleuchtend:

Der Begriff „Heimat“ verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum.


https://de.wikipedia.org/wiki/Heimat

„So !!“ , denke ich ,  und schaue mich an den Wänden des Museums um,. Hier sind senkrechte Kunst-räume  entstanden. Sie suchen die Beziehung zum Mensch herzustellen, und setzen dabei auf sprachliche und visuelle Assoziationen.. 


Der spannende, unterhaltsame, nachdenklich stimmende, bereichernde und inspirierende Entdeckungsbesuch im Museum neigt sich dem Ende zu. Im Abschluss- Stuhlkreis berichten alle Besucher  durchweg, sie seien angetan gewesen, und loben die Ausstellung. Herr K. freut sich, und lobt zurück. Wir wären ja auch eine nette Truppe gewesen. „Da macht es auch Freude,über das Museum, die Ausstellungen  und Güls zu erzählen.“ sagt Herr K., und lacht. Einige Teilnehmer wollen wiederkommen, gewiss würden sie etwas entdecken, dass sie jetzt nicht entdeckt haben. Die Dozentin hat noch Büchertipps (s.Infobox unten)

Mein Kopf rauscht.. ein Nachmittag voller Assoziationsketten und „Heimatspuren“ geht zu Ende. Die Impressionen  über  „das Gefühl jenseits aller Politik“, wie  Tucholsky es nennt,  müssen verdaut werden. Am Besten zu Hause. Schnell noch eine kleine Spende für den Verein hinterlassen, und „Respekt“ in die Spendenddose hinein murmeln. Dann meldet sich auch der Bauch knurrend. Es wird Zeit, die „Wahlheimat „aufzusuchen.

Die „Heimat an sich“, sein Wesen und seine Bedeutung suche ich weiter, gewiss auch nochmal mit einem Besuch in Güls.


VI Infobox

a) Orte  und Plätze

#Koblenz #Güls  #Heimatmuseum_Güls #KuWi_Koblenz

b) Weiterlesen und – hören

Das Gölser Blättchen über die Neueröffnung 2013(öffnet pdf)

Das Gölser Blättchen über die Aktion „Heimat eintüten“ (öffnet pdf)

„Mit anderen Augen – Wie sich Heimatführungen verändert haben“, ein Radiobeitrag von BR2

Buchtipps:

  • „Nach Hause laufen/ Jan Klarle
  • „Die Unwissenheit“ /Milan Kundera
  • „Heimat – Ein diffuses Gefühl“ – Ein Lesebuch

c) weitere Ausstellungen zum Thema Heimat

bis 14.10. 2018 „Deutsche Mythen“ / Haus der Geschichte,  Bonn

bis 02.12.2018: „Heimat – Eine künstlerische Spurensuche“/ StadtGalerie, Neuwied

(weitere Ausstellungen und Buchtipps(ggf. mit kurzer Begründung) nehme ich gern entgegen, und liste sie auf)





Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert